Streifzug durch das zukünftige Wohngebiet
Parchim. Einst war sie abgesperrtes Militärgebiet, anschließend ungenutzte Brachfläche. Große Teile der Regimentsvorstadt in Parchim versteckten lange Zeit ihr großes Potential als innerstädtisch gelegenes Gebiet zur Schaffung von Wohnbauland. Jedoch hielt das Areal auch die Hinterlassenschaften von drei Armeen, welche an diesem Ort über Jahrzehnte stationiert waren, gut verborgen. Und so fielen die vormals militärisch genutzten Flächen nicht ganz ohne Grund in einen jahrelangen Dornröschenschlaf.
Dieser Dornröschenschlaf endete mit der Entscheidung das attraktive Gebiet zwischen Putlitzer Straße und Elde-Müritz-Wasserstraße zu entwickeln und dort Wohnbauland sowie einen Schul- und Kita-Neubau zu schaffen. Und so begann im März 2021 als vorbereitende Maßnahme zur Erschließung die Suche nach kampfmittelrelevanten Objekten auf einer Fläche von knapp zehn Hektar. Das Unternehmen Eurovia bekam den Auftrag und es wurde fündig: Über 2,3 Tonnen Munition und militärischer Schrott, in mehr als 2000 Einzelfunden, kamen bis zum Abschluss der Arbeiten zu Tage. Dabei reichte das Arsenal der Funde von einer größeren amerikanischen Sprengbombe und sieben englischen Brandbomben, über eine Vielzahl von verschiedenen Granaten und Minen, zu einer sehr hohen Zahl von klassischer Munition für Rohrwaffen. Auch verrottete Waffen, Pyrotechnik, Treibladungen und Zünder bargen die Experten von Eurovia in der Parchimer Regimentsvorstadt.
Die gefundenen Kampfmittel wurden, in Zusammenarbeit mit dem Munitionsbergungsdienst akribisch erfasst und fachmännisch entsorgt. Das Erdreich wurde sondiert, gesiebt und in Tiefen von bis zu drei Meter gereinigt. Dass im wahrsten Sinne des Wortes auch andere Kaliber in der Parchimer Erde schlummerten zeigte die Entdeckung des Blindgängers der amerikanischen 150 Pfund Mehrzweckbombe. Diese Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg musste vom Munitionsbergungsdienst Mecklenburg-Vorpommern (MBD MV) im Mai 2021 fachgerecht direkt vor Ort entschärft werden.
Neben den akut gefährlichen Munitionsresten fanden die Teams bei den Bodenarbeiten, die teilweise nur händisch mit dem Spaten ausgeführt werden konnten, weitere Bodenverunreinigungen und Altlasten. Mittlerweile steht fest, dass auch deshalb die ursprünglich angenommenen Kostenplanungen nicht eigehalten werden können. Durch die hohe Funddichte zogen sich die Arbeiten darüber hinaus erheblich in die Länge. Technik, hier vor allem die Siebanlage und die großen Baumaschinen, wie auch Personal mussten entsprechend länger in der Parchimer Regimentsvorstadt eingesetzt werden.
Wer nach Abschluss der Arbeiten einen Streifzug durch das zukünftige Wohngebiet wagt, sieht von alledem kaum noch etwas. Während der nördliche Teil als ebene Brachfläche darauf wartet bebaut zu werden, drehen sich in der Nähe des Hauses der Jugend die Baukräne. Der Neubau der geplanten DRK-Kindertagesstätte „Forschergeist“ hat seine endgültige Höhe erreicht und bekommt derweil die zum Umfeld passende Klinkerfassade. Direkt daneben wächst der Rohbau der neuen Regionalschule „Johann-Wolfgang von Goethe“ in die Höhe. Am Südring befinden sich die Arbeiten für die verkehrliche Anbindung der Schule und des Kindergartens in einem fortgeschrittenen Stadium. Auch die für die zukünftige Versorgung mit Fernwärme nötige Anbindung in das neue Wohngebiet ist weit vorangeschritten. Hier ist die Unterquerung der Elde-Müritz-Wasserstraße bereits erfolgt.
Und so bleibt neben vielen Monaten des Wartens und gestiegener Kosten der Blick in die Zukunft: Mit der nun in gewisser Weise zum zweiten Mal erschlossenen Regimentsvorstadt erhält Parchim ein innerstädtisches Wohngebiet zurück, welches bis dato nie richtig städtebaulich verbunden werden konnte. Die Sisyphusarbeit Munitionsbergung wurde zum Fundament für einen neuen Stadtteil, die Investitionen in das Kinder-Bildungszentrum (KiBiZ) und die moderne Energieversorgung lenken den Blick bereits heute in die Zukunft der Kreisstadt Parchim.