Gedenken

85. Jahrestag der Reichspogromnacht: Gedenken an die Schändung der Parchimer Synagoge

"Nie wieder" ist jetzt!

Parchim. „Auch in Parchim zog sich das Pogrom über den ganzen Tag hin, wurde fast wie ein Volksfest gefeiert. Noch am Nachmittag wurden Akten und Möbel aus den Fenstern der Wohnung des Rechtsanwalts Wolff auf die Straße geworfen und die Inneneinrichtung der Synagoge zum Moltkeplatz getragen und dort am Abend verbrannt.“ Diese Beschreibung der Ereignisse stammt aus dem Buch des angesehenen Schweriner Archivars Bernd Kasten „Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945“ aus dem Jahr 2008. Es verdeutlicht, dass der Hass nicht in weiter Ferne grassierte, sondern ganz in unserer Nähe, in unserer Stadt, in der Parchimer Rosenstraße.

Im Gedenken an die menschenverachtenden Geschehnisse trafen sich, am heutigen Vormittag, Vertreter aus Politik und Gesellschaft am ehemaligen Standort der Parchimer Synagoge. Denn hier wurden nicht nur religiöse Gegenstände und das Gebäude selbst zerstört. Es wurde der Grundstein für die grausame Politik der Nationalsozialisten gelegt – für die Zerstörung von Menschen.

Bild aus dem Innenraum der Parchimer Synagoge mit Kanzel und Lesepult.
Bild aus dem Innenraum der Parchimer Synagoge mit Kanzel und Lesepult.

Bürgermeister Dirk Flörke erinnerte in seiner Gedenkrede an die besondere Bedeutung der Geschehnisse vom 09. November 1938 im Kontext der nationalsozialistischen Ideologie: „Die Zerstörung jüdischer Einrichtungen, stellt einen bedeutenden Teil der gezielten Entrechtung jüdischer Menschen dar“. Weiterhin nahm das Stadtoberhaupt der Kreisstadt Parchim Bezug auf die aktuelle Situation im Nahen Osten: „Der 07. Oktober 2023 stellt eine Zäsur dar. Der Konsens eines ‚Nie wieder‘ wurde an diesem Tag aufgekündigt. Es ist wieder geschehen, indem es gezielte Gewalt gegen Juden, gegen Menschen gab. Heute ist es deshalb umso wichtiger an die Taten von damals zu erinnern und sich entschieden für Versöhnung und gegen Hass auszusprechen.“

Hintergrund

1823 wird in der Rosenstraße die neue Parchimer Synagoge eingeweiht. Hier steht sie bis zur Pogromnacht 1938. Es werden Gottesdienste gefeiert, aber auch „weltliche“ Angelegenheiten geregelt. Im Museum der Stadt Parchim findet sich heute ein Modell der damals zerstörten Synagoge im Zustand von 1884. Zu dieser Zeit hat die Gemeinde etwa 90 Mitglieder. Jüdisches Leben ist in Parchim bereits für das 13. Jahrhundert nachgewiesen.

„An einigen Orten wie in Neustrelitz, Neubrandenburg oder Parchim sind die Namen der Täter bekannt. Es waren ausnahmslos Einheimische, nicht selten ortsansässige Geschäftsleute. Manche waren verdiente ‚alte Kämpfer‘. Nicht wenige der alten SA-Veteranen blickten wehmütig auf die ‚Kampfzeit‘ zurück, in der sie ihre gewalttätigen Neigungen noch frei hatten ausleben können. Den Befehl zum Pogrom befolgten sie mit offenkundiger Begeisterung.“ („Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945“ – Bernd Kasten, 2008).